Du bist Geschäftsführer und denkst, du hast die Kontrolle. Du triffst die Entscheidungen, kennst...
Warum dein Unternehmen ohne dich besser dran ist – Die Wahrheit über langfristigen Erfolg
Die meisten Unternehmer glauben, dass ihre Anwesenheit im Tagesgeschäft unverzichtbar ist. Sie wollen die Kontrolle über jeden Aspekt des Unternehmens behalten und glauben, nur so den langfristigen Erfolg zu sichern. Doch die Realität sieht anders aus: Wenn dein Unternehmen ohne dich nicht funktioniert, hast du keine Kontrolle – du hast nur eine tickende Zeitbombe.
Die harte Wahrheit: Dein Unternehmen braucht dich nicht
Wenn du wirklich ein stabiles und „unsterbliches“ Unternehmen aufbauen willst, das auch ohne dich existieren kann, musst du klare Systeme schaffen. Es geht nicht darum, alles selbst zu machen, sondern Strukturen zu etablieren, die dein Unternehmen tragen – auch in deiner Abwesenheit. Es gibt drei Phasen, die dir dabei helfen:
- Phase 1 – Management-System für die operative Stabilität Der operative Bereich ist das Herzstück des Unternehmens. Ein robustes Management-System mit standardisierten Prozessen und klaren Verantwortlichkeiten sorgt dafür, dass der Alltag reibungslos läuft, ohne dass du ständig eingreifen musst.
- Phase 2 – Leadership-System für strategische Anpassung Sobald das Tagesgeschäft selbstständig läuft, ist der nächste Schritt die strategische Weiterentwicklung. Ein Leadership-System gibt Führungskräften die nötigen Werkzeuge und Prozesse, um das Unternehmen flexibel an neue Herausforderungen anzupassen und es in deinem Sinne weiterzuentwickeln.
- Phase 3 – Unternehmer-System für Selbstoptimierung Die höchste Stufe ist die Schaffung eines Unternehmer-Systems, das Selbstoptimierung ermöglicht. Hier geht es darum, dass das Unternehmen eigene Anpassungen und Verbesserungen umsetzen kann – ein System, das sich selbst weiterentwickelt.
Wie die „Aldi-Formel“ das Management-System beeinflusst
Ein Beispiel für die Kraft unterschiedlicher Management-Systeme zeigt Aldi: Die Brüder Karl und Theo Albrecht teilten das Unternehmen in die unabhängigen Einheiten Aldi Süd und Aldi Nord. Heute zeigt sich, wie unterschiedlich die beiden Strukturen das Wachstum beeinflussen.
- Aldi Süd setzt auf Dezentralisierung: Das Unternehmen gibt regionalen Managern viel Freiheit, was schnelle Reaktionen auf Markttrends ermöglicht und das internationale Wachstum ankurbelte. Die Eigenverantwortung hat Aldi Süd innovativer und flexibler gemacht. Der Umsatz von Aldi Süd betrug im Jahr 2022 rund 67 Milliarden Euro.
- Aldi Nord ist zentralisiert: Entscheidungen werden zentral getroffen, was zu standardisierten Prozessen und einer konservativeren Wachstumsstrategie führte. Die Struktur bietet Kontrolle, aber weniger Flexibilität. Aldi Nord fokussiert sich stärker auf den europäischen Markt und erzielte 2022 einen Umsatz von etwa 38 Milliarden Euro.
Diese Beispiele zeigen: Deine Wahl des Management-Systems hat weitreichende Folgen. Ein dezentrales System schafft Flexibilität und fördert Eigenverantwortung, während eine zentrale Struktur Kontrolle und Standardisierung ermöglicht.
Vertrauen statt Kontrolle: Der Schlüssel zur erfolgreichen Übergabe
Das größte Hindernis bei der Übergabe von Verantwortung ist oft die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Vertrauen ist hier das zentrale Thema. Vor fast 20 Jahren führte ich ein Gespräch mit Heinz-Horst Deichmann, dem Gründer von Deichmann, in dem er mir sagte: „Ohne Vertrauen geht es nicht.“ Er betonte, dass Unternehmer Vertrauen in ihre Mitarbeitenden und Systeme haben müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Ein stabiles System basiert auf diesem Vertrauen – und ohne diese Basis wird eine Übergabe der Verantwortung zur Herausforderung.
Praxisbeispiel: Anna Bauer* und der Weg zur Eigenverantwortung im Team
Anna Bauer, Inhaberin eines erfolgreichen Dienstleistungsunternehmens im Gesundheitswesen, wollte sich zunehmend auf strategische Aufgaben konzentrieren und begann, einen neuen Mitarbeitenden als potenziellen Nachfolger aufzubauen. Doch trotz dieses Plans sah die Realität anders aus: Nach wie vor traf sie die meisten Entscheidungen selbst. Das Team war es gewohnt, für jede Herausforderung direkt zu ihr zu kommen, statt eigenständig Lösungen zu finden. So übernahm Anna weiterhin das operative Tagesgeschäft, was sie in ihrer strategischen Arbeit blockierte.
Im Rahmen eines Coaching-Prozesses erarbeiteten wir eine klare Rollenverteilung und definierten Entscheidungsbereiche, um das Team eigenverantwortlicher agieren zu lassen. Zunächst identifizierten wir Aufgaben, die das Team vollständig eigenständig übernehmen sollte. Eine wichtige Maßnahme war die Einsatzplanung. Solange keine gravierenden Probleme auftraten, sollte das Team diese Aufgabe eigenverantwortlich bewältigen. Falls dennoch Entscheidungen auf höherer Ebene nötig wurden, brachte das Team diese mit Lösungsvorschlägen an Anna heran, anstatt sie direkt damit zu belasten.
Ein Wendepunkt für Anna und ihr Team war die Einführung des „Minuten-Managers“-Prinzips, das wir im Coaching besprachen. Die Mitarbeitenden wurden darin geschult, Herausforderungen zunächst eigenständig zu lösen und ihre Vorschläge erst dann zur finalen Entscheidung vorzulegen. Das Ergebnis? Mehr Eigenverantwortung und ein stabiles Management-System, das die Abhängigkeit von Anna minimierte und ihr die Freiheit gab, sich auf die strategische Weiterentwicklung zu konzentrieren.
Fazit: Dein Vermächtnis hängt von deiner Fähigkeit ab, loszulassen
Langfristiger Erfolg erfordert nicht deine ständige Anwesenheit, sondern starke Systeme und Vertrauen. Nur so kann ein Unternehmen unabhängig von der Gründerpersönlichkeit bestehen und wachsen. Ein stabiles Management- und Leadership-System ermöglicht es dir, ein Unternehmen zu hinterlassen, das in deinem Sinne weiterbesteht – auch ohne dich.
P.S.: Auch wenn du heute noch nicht ans Aufhören denkst, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema Loslassen zu beschäftigen. Nur wenn du frühzeitig die Weichen stellst und Verantwortung abgibst, wirst du die Freiheit haben, auch in Zukunft die Richtung deines Unternehmens zu gestalten. Andernfalls riskierst du, eines Tages zum Flaschenhals zu werden – und die Entwicklung deines Unternehmens ungewollt selbst auszubremsen.
*Name geändert